5000 Schutzhelme für die Ukraine sind ein Witz: Häme für Christine Lambrecht

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Politiker, Journalisten und Bevölkerung dürften dabei aus vielen Beweggründen gespaltener Meinung sein, die Leserbriefspalten der Leitmedien machen das deutlicher als in anderen außenpolitischen Fragen. Viele sind mit den USA und Großbritannien der Meinung, daß Präsident Putin ein gefährlicher politischer Hasardeur sei, dessen Großmachtphantasien das Sowjetimperium wiederherstellen wollen und daß einem erneut expansiven Russland militärisch und mit harten wirtschaftlichen Sanktionen entgegenzutreten sei. Andere zeigen eher Verständnis für Russland und sehen die fortschreitende Osterweiterung der NATO als ebenso fragwürdig wie Putin, obwohl sie die Sorgen der ehemaligen Sowjetsatelliten verstehen können, denen es durch ihre Westbindung so erheblich besser geht als der Ukraine oder Belarus oder Russland selbst. Für Verwirrung sorgen auch die flexiblen Zahlenangaben zu den Sowjetsoldaten, die in nicht definierter Nähe zur ukrainischen Grenze stationiert sein sollen. Was soll der Zeitungsleser glauben, wenn aus mutmaßlich 100.000 auch einmal Hunderttausende werden?

Aber zurück zur Frage ob und warum Deutschland mit der Ukraine solidarisch sein sollte oder muss. Als Staat und Nation ist das Land fast immer so problematisch zwischen den umgebenden Großmächten eingehegt gewesen, wie schon der Name ausdrückt. „Ukraina“ bedeutet in mehreren slawischen Sprachen so viel wie Grenzland, und die jeweilige politische Ordnung wechselte seit dem 16. Jahrhundert zwischen dem übermächtigen Russland, Polen und der Donaumonarchie. Nach den drei Teilungen Polens 1772, 1793 und 1795 wurde die westliche Ukraine mit Ausnahme Ost-Galiziens russisch. Ost-Galizien kam zur österreichischen K.u.K.- Monarchie und damit auch unter katholischen Einfluss, während der russische Teil natürlich russisch-orthodox blieb. Diese historische Fragmentierung spielt auch heute noch eine Rolle bei den innenpolitischen Gegensätzen zwischen Nationalisten und eher russland-orientierten Gruppen in der Bevölkerung, und diese Teilung ist auch zwischen der Ost- und der West-Ukraine noch virulent.

Historisch ist auch das Verhältnis zwischen Deutschland und der Ukraine alles andere als unbelastet. Bei uns weitgehend vergessen ist der deutsche Einmarsch am Ende des ersten Weltkrieges. Das strategische Ziel war die Nutzung der von dem Geschichtsprofessor und Politiker Mychajlo Serhijowytsch Hruschewskyj maßgeblich geförderten ukrainischen Nationalbewegung zur Schwächung Russlands. Die deutsche Besetzung des Baltikums, Weißrusslands und der Ukraine, einschließlich der russischen Krim, begann ironischerweise am 3. März 1918, nachdem gerade erst am 22. Januar ein unabhängiger ukrainischer Staat ausgerufen worden war. Die folgende Eingliederung der Sowjetrepublik Ukraine in die Sowjetunion führte schnell zur nächsten Katastrophe, der als Holodomor bekannten Hungersnot, der 1932 und 1933 Millionen Ukrainer zum Opfer fielen. Bereits seit den 1920er Jahren war es dazu immer wieder zu Massakern und militärischen Auseinandersetzungen mit Polen gekommen, das die in Versailles als Curzon-Linie vereinbarte Grenze zur Sowjetunion ignorierte, um sich nach Osten auszudehnen.

Im Juni 1941, mit dem Überfall auf die Sowjetunion, begann die zweite Besetzung der Ukraine durch Deutschland. Das sogenannte Reichskommissariat Ukraine wurde wirtschaftlich ausgebeutet, Hunger, Partisanenbekämpfung und die zunehmenden Kämpfe mit sowjetischen Armeeverbänden kosteten fünf bis sieben Millionen Ukrainern das Leben. Das ukrainische Kapitel des Holocaust begann bereits im Oktober 1941 mit dem Massaker von Babi Yar in der Nähe von Kiew. Die ukrainische Beteiligung wurde in Deutschland durch die Verurteilung des im KZ Sobibor eingesetzten Hilfswilligen der SS, Iwan Demjanjuk, bekannt, der 2011 wegen Beihilfe zum Mord in Tausenden Fällen in München verurteilt wurde. Allerdings gab es auch rund 80,000 ukrainische Freiwillige, nicht nur „Volksdeutsche“, für die „14. Waffen-Grenadier Division der SS (Galizien)“, eine der angegliederten ausländischen Formationen der Waffen-SS und weitere Hilfseinheiten. Die Rassenideologie der Nationalsozialisten, die Slawen als Untermenschen klassifizierte, verhinderte eine formelle Zusammenarbeit mit den ukrainischen Nationalisten, die zunächst gehofft hatten, mit deutscher Hilfe die Unabhängigkeit von der Sowjetunion zu erkämpfen. Einer ihrer Aktivisten, Stepan Bandera, versuchte im Juni 1941, mit Hilfe eines Treueeids auf Hitler einen unabhängigen ukrainischen Staat auszurufen, wurde aber von der Gestapo verhaftet und landete im KZ Sachsenhausen. Im September 1944 entlassen, um gegen die Sowjets zu kämpfen kehrte Bandera in die Ukraine zurück, kämpfte aber gleichzeitig gegen Sowjets und Deutsche. Er starb 1959 in München und bleibt heute in seiner Heimat umstritten. Damit ist er einer von zahlreichen hoch umstrittenen historischen Persönlichkeiten und ganz normalen Frontsoldaten, die je nach Interpretation und Weltanschauung von den Nationalisten als Helden und den Sowjet-Ukrainern als Verräter und Kollaborateure mit den Nazis gesehen werden. Gedenkveranstaltungen der Nationalisten, teilweise mit deutschen Weltkriegsuniformen, auch im Ausland, sorgen immer wieder für Entrüstung der anderen Seite. Dazu sorgen rechtsradikale Gruppierungen in der Ukraine und ihre Verbindungen mit Neonazis in westeuropäischen Ländern nicht gerade für mehr Verständnis.

Unter anderem weil historisch „gute“ und „böse“ Ukrainer nicht immer ausreichend klar zu trennen sind, scheiden sich wohl auch beim Thema Solidarität in Deutschland die Geister, vor allem auch dadurch, dass die komplizierte und schmerzhafte Geschichte des Landes bei uns weitgehend unbekannt oder verdrängt ist. Die Berichterstattung der letzten Jahre brachte zudem allzu viele Skandalgeschichten an die Öffentlichkeit. Die Rolle der Oligarchen und die merkwürdigen ausländischen Immobiliengeschäfte der politischen Elite haben keine Sympathiewerbung für das Land machen können. Allenfalls die Annexion der Krim 2014, die allerdings erst im Mai 1954 und nach damals 170 russischen Jahren durch den ehemals ukrainischen Parteichef Chrustschow an die ukrainische Teilrepublik übergeben worden war, hat in Deutschland deutliche Empörung und eventuell ein gewisses Mitleid mit der Ukraine ausgelöst. Eine deutliche Anerkennung der ukrainischen Unabhängigkeitsbestrebungen oder ihre gewünschte Anlehnung an die EU und die NATO und westliche demokratische Werte ist weder in Medienanalysen noch in den zahlreichen Leserbriefen dazu erkennbar. Dazu wären vermutlich korrespondierende Interessenlagen in der deutschen Gesellschaft notwendig, die allerdings oft in eine andere Richtung tendieren. Der Streit um die Öffnung von Nordstream 2 und die viel diskutierte Energiewende macht vielen Bürgern Sorge, daß die Abschaltung aller fossilen und nuklearen Kraftwerke nicht durch erneuerbare Energien ausgeglichen werden kann und Deutschland seine überwiegend von russischen Öl- und Gaslieferungen abhängige Energiesicherheit nicht wegen der Ukraine aufs Spiel setzen sollte.

Dazu noch ein historischer Vergleich. Manche erinnern sich wahrscheinlich an ihren Deutschunterricht in der Schule und Gottfried Kellers Novelle „Kleider machen Leute“, in der der arme Schneidergeselle Wenzel Strapinski aus Schlesien in der Schweiz für einen polnischen Exilanten gehalten wird und sein Glück machen kann. In der Tat waren die polnischen Freiheitskämpfer des Novemberaufstands von 1830/31, der von der russischen Armee, unter Beteiligung von deutschen Offizieren und Generälen in zaristischen Diensten, brutal niedergeschlagen worden war, in Deutschland, der Schweiz und anderen europäischen Ländern ausgesprochen willkommen. Rund 50.000 Soldaten und Politiker verließen damals das Land, die meisten kehrten aber später zurück. In vielen deutschen Städten, besonders in Sachsen, Baden und Bayern gab es Empfangskomitees für die Exilanten, Zeitgenossen sprachen von Polenbegeisterung oder sogar Polenmanie. Die damalige Solidarität entsprach der Sehnsucht nach politischer Freiheit und durch eine Verfassung verbriefte Bürgerrechte. Beim Hambacher Fest von 1832, einem Schlüsselereignis auf Deutschlands langem Weg zur Demokratie, wehte deshalb neben der schwarz-rot-goldenen deutschen Fahne auch die rot-weisse polnische. Auch nur annähernd vergleichbare Sympathiewerte für die Ukraine sind heute nicht erkennbar. Dies würde sich mit Sicherheit bei einer russischen Invasion erheblich ändern, die aber wird von Präsident Putin und Außenminister Lawrow ständig dementiert. Wenn Putin und der chinesische Präsident Xi Jinping gerade in Peking die Ukraine-Krise als ideologische Inszenierung der USA im Stil des Kalten Krieges bezeichnen, bleibt uns in Deutschland mangels wirklich objektiver Informationen nicht viel mehr als die Wahl, welcher Seite wir mehr glauben oder mehr zutrauen.